Auch Justitia dichtet. Zur Konstruktion des Verbrechens in der Geschichte des Marquis de la Pivardiere

Autor

DOI:

https://doi.org/10.26881/sgg.2021.44.03

Słowa kluczowe:

Inquisitorisches Verhör, Literarizität von Akten, Pitavalgeschichten, Strafrechtsreform und Literatur

Abstrakt

Am Beispiel der Pitavalgeschichte des Marquis de la Pivardiere ist der Beitrag der asymmetrischen Verhorsituation im Inquisitionsverfahren gewidmet. Untersuchungsrichter und Protokollant verdichten die Aussagen der Magde des Marquis zu einer juristisch belastbaren Erzahlung des Tathergangs. Gezeigt wird, wie sich in der Fassungsgeschichte (Gayot de Pitaval, Friedrich Schiller, Neuer Pitaval) der Wandel zum reformierten Strafprozess spiegelt. Der in den Akten dokumentierte Manipulationsvorwurf dient bei Gayot zur Mahnung an eine formstrenge Durchfuhrung des Verfahrens, wahrend Schiller darin einen anthropologisch verwertbaren Einblick in die Psyche des Tatersubjekts erkennt. Der neue Pitaval disqualifiziert das Inquisitionsverfahren im Ganzen, um ihm die preußische Rechtspraxis entgegen zu stellen.

Downloads

Download data is not yet available.

Bibliografia

Primärtexte

Häring, W[ilhelm]/Hitzig, J[ulius] E[duard] (1843): Der Herr von Pivardiere. 1697–1701. In: Der neue Pitaval. Eine Sammlung der interessantesten Criminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit. Bd. 4. Leipzig: F[riedrich] A[rnold] Brockhaus, 350–394.

[KW:] (1747): Eine Frau, welche angeklagt worden, daß sie ihren Ehemann habe umbringen lassen, rechtfertigt sich dadurch, daß sie ihn wieder darstellet [Historie des de la Pivardiere]. In: Gayott von Pitaval: Erzählung sonderbarer Rechtshändel, sammt deren gerichtlichen Entscheidung. Aus dem Französischen übersetzt. Bd. 3. Leipzig: Gottfried Kiesewetter, 1–108.

Schiller, F[riedrich] (1792): Vorrede. In: Merkwürdige Rechtsfälle als ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit. Nach dem Französischen Werk des Pitaval durch mehrere Verfasser ausgearbeitet und mit einer Vorrede begleitet hg. von Schiller. Bd. 1. Jena: Christi[an] Heinr[ich] Cuno’s Erben, *2r.–[*4]v.

[SN: Schiller, Friedrich / Niethammer, Immanuel:] (1793): Geschichte des Herrn von la Pivardière. In: Merkwürdige Rechtsfälle als ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit. Nach dem Französischen Werk des Pitavals durch mehrere Verfasser ausgearbeitet und mit einer Vorrede begleitet hg. von Schiller. Bd. 3. Jena: Christ[ian] Heinr[ich] Cuno’s Erben, 103–235.

Forschungsliteratur

Becker, Peter (2005): ‚Recht schreiben‘ – Disziplin, Sprachbeherrschung und Vernunft. Zur Kunst des Protokollierens im 18. und 19. Jahrhundert. In: Michael Niehaus, Hans-Walter Schmidt-Hannisa (Hg.): Das Protokoll. Kulturelle Funktionen einer Textsorte. Frankfurt a. M. u. a.: Lang, 49–76.

Behrens, Rudolf / Zelle, Carsten (2020): Französische und deutsche Causes célèbres im neunzehnten Jahrhundert: Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Bedingungen und Funktionen. In: Rudolf Behrens, Carsten Zelle (Hg.): Die Causes célèbres des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland. Narrative Funktionen und anthropologische Funktionen. Wiesbaden: Harrassowitz (=culturæ, 19), 207–325.

Greve, Ylva (2004): Verbrechen und Krankheit. Die Entdeckung der ‚Criminalpsychologie‘ im 19. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien: Böhlau.

Ignor, Alexander (2002): Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532–1846. Von der Carolina Karls V. bis zu den Reformen des Vormärz. Paderborn u. a.: Schöningh (=Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N. F. 97).

Lüsebrink, Hans-Jürgen (1983): Kriminalität und Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Literarische Formen, soziale Funktionen und Wissenskonstituenten von Kriminalitätsdarstellung im Zeitalter der Aufklärung. Mit einem Vorwort von Rolf Reichardt. München, Wien: Oldenbourg (=Ancien Régime. Aufklärung und Revolution, 8).

Meyer-Krentler, Eckhardt (1991): ‚Geschichtserzählungen‘. Zur ‚Poetik des Sachverhalts‘ im juristischen Schrifttum des 18. Jahrhunderts. In: Jörg Schönert (Hg.): Erzählte Kriminalität. Zur Typologie und Funktion von narrativen Darstellungen in Strafrechtspflege, Publizistik und Literatur zwischen 1770 und 1920. Tübingen: Niemeyer (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, 27), 117–158.

Neumeyer, Harald (2006): ‚Schwarze Seelen‘. Rechts-Fall-Geschichten bei Pitaval, Schiller, Niethammer und Feuerbach. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. 31 (1), 101–132.

Niehaus, Michael (2003): Das Verhör. Geschichte – Theorie – Fiktion. München: Fink (=Literatur und Recht, 1).

Oestmann, Peter (2015): Wege zur Rechtsgeschichte: Gerichtsbarkeit und Verfahren. Köln, Weimar, Wien: Böhlau.

Schönert, Jörg ([1987] 2015): Die Begleitstimme der ‚schönen Literatur‘ zur Strafrechtsentwicklung. In: Kriminalität erzählen. Studien zu Kriminalität in der deutschsprachigen Literatur (1570–1920). Berlin, Boston: de Gruyter (=Recht in der Kunst – Kunst im Recht, 42), 133–154.

Speth, Sebastian (2021): Alternative Fakten: Pitavals Histoire de Frillet und die Frage der Perskeptive. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift. N. F. 71 (4), 381–401.

Speth, Sebastian (voraussichtlich 2021): Profil einer Giftmischerin. Charakterzeichnung der Marquise de Brinvilliers in Recht und Literatur. In: Limbus. Australisches Jahrbuch für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft 14.

Speth, Sebastian (voraussichtlich 2022a): Materialisierte Gerichtsverfahren: Der Prozess der Vergegenständlichung historischer Akten in Pitavalgeschichten zwischen ‚law in literature‘ und ‚material philology‘. In Eric Achermann et al. (Hg.): Literatur und Recht: Materialität. Formen und Prozesse gegenseitiger Vergegenständlichung. Metzler (=Literatur und Recht).

Speth, Sebastian (voraussichtlich 2022b): Vergnügen an gerechter Strafe: Poetische Gerechtigkeit und Strafrecht in Pitavalgeschichten. In Eric Achermann, Gideon Stiening (Hg.): Vom „Theater des Schreckens“ zum „peinlichen Rechte nach der Vernunft“: Literatur und Strafrecht im 17. Und 18. Jahrhundert. Stuttgart: Metzler (=Literatur und Recht).

Stichweh, Rudolf (1994): Zur Subjektivierung der Entscheidungsfindung im deutschen Strafprozeß des 19. Jahrhunderts. In: André Gouron, Laurent Mayali, Antonio Padao Schioppa, Dieter Simon (Hg.): Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens. Beiträge zum Zeugenbeweis in Europa und den USA (18.–20. Jahrhundert). Frankfurt a. M.: Klostermann (=Ius Commune. Sonderhefte zur Europäischen Rechtsgeschichte, 64), 265–300.

Trüstedt, Katrin (2019): ‚Tiefere Blicke in das Menschen-Herz‘: Schillers ‚Pitaval‘ und der ‚Code Napoleon‘. In: Christian Kirchmeier (Hg.): Das Politische des romantischen Dramas. Paderborn: Schöningh (=Athenäum. Jahrbuch der Friedrich-Schlegel-Gesellschaft, Sonderheft 28), 49–75.

Opublikowane

2021-10-12

Jak cytować

Speth, S. (2021). Auch Justitia dichtet. Zur Konstruktion des Verbrechens in der Geschichte des Marquis de la Pivardiere. Studia Germanica Gedanensia, 44(44), 36–47. https://doi.org/10.26881/sgg.2021.44.03